Keine Freiheit für radikales Symbol an Schulen

24.09.2003

Der Bundesvorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU (EAK), Thomas Rachel MdB, erklärt:

Die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, nach der es rechtswidrig ist, muslimischenLehrerinnen in Baden-Württemberg im Unterricht das Tragen eines Kopftuchs zu verbieten, verkennt die Problematik und Konfliktträchtigkeit dieses Symbols des politisierten und radikalen Islam.

Die Urteilsbegründung der Mehrheitsmeinung des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichtes (BVG) unterschätzt die Bedeutung des Kopftuches als ein eindeutig fundamentalistisches Symbol. Indem neben dem formalen Verweis auf fehlende Bestimmungen des Länderrechtes inhaltlich vor allem auf der Basis von Art. 4 des GG lediglich der individuelle Schutz der Religionsausübung hervorgehoben wird, wird der gesellschaftliche, kulturelle, religiöse und ideologische Sprengstoff hinter dem Kopftuch-Streit nicht beachtet.

Es ist völlig unzureichend, wenn das Kopftuch in der Begründung der Mehrheitsmeinung bloß als persönliches Bekenntnis der einzelnen Muslima gewertet wird, das durch Art. 4 des GG zu schützen sei. Das Gebot der weltanschaulichen und religiösen Neutralität einer Person, die sich im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis befindet, wird hier nicht ausreichend gewürdigt.

Millionen muslimischer Frauen in aller Welt tragen kein Kopftuch. Weltweit verknüpft sich mit dem Kopftuch-Tragen eine politische Botschaft: Es geht um die Proklamation eines Frauenbildes, dass mit dem Menschenbild der Verfassung, wonach Mann und Frau gleichberechtigt sind (Art. 3, Abs. 2 GG), unvereinbar ist.

Verfehlt ist in dieser Urteilsbegründung auch der Vergleich mit dem christlichen Symbol des Kreuzes, das nach dieser Auffassung – im Gegensatz zum Kopftuch - aus sich selbst heraus (also gleichsam "objektiv") religiös sei! Vor dem Hintergrund dieser Logik kann nun in Bezug auf das "Kopftuch" also genau der individuelle Schutz der Religionsfreiheit greifen, der dem "Kreuz" im Kruzifixurteil mit Bezugnahme auf den Schutz der negativen Religionsfreiheit versagt wurde!

Der EAK schließt sich der Begründung der abweichenden Minderheitsmeinung des 2. Senats des BVGs an, wie sie von Prof. Di Fabio vorgetragen wurde. Im öffentlich-rechtlichen Bereich darf der Verweis auf das subjektive Bekenntnis nicht in der Weise gelten wie im privaten. Wer in seiner Person als Lehrer bzw. Staatsbeamter keine Gewähr für eine neutrale Amtsführung gewährleistet und dem Mäßigungsgebot widerstreitet, ist für ein solches Amt ungeeignet. Denn das Wohl und der Rechtsanspruch der Allgemeinheit auf religiöse und weltanschauliche Neutralität ist hier nicht ausreichend gewürdigt worden.

Die unterschiedliche juristische Beurteilung des Symbolwertes von Kopftuch und Kreuz, bei der das eine Mal im Sinne der positiven, das andere Mal jedoch im Sinne der negativen Religionsfreiheit argumentiert wird, ist aus Sicht des EAK wenig überzeugend und höchst problematisch. Zutiefst unbefriedigend ist, dass der Spruch des BVGs keine Rechtssicherheit schafft. Es ist nun Aufgabe der Länder, Gesetzesinitiativen zum Verbot des Kopftuch-Tragens in Schulen zu ergreifen.

Berlin, den 24.09.2003